Wirksamkeit von !SocialSkills auf Grundschulkinder der Klassenstufe 3

Zeitraum und Anwendungsbereich der Erhebung

Von November 2021 bis März 2022 wurde eine weitere Evaluation der Präventionsmaßnahme !SocialSkills durchgeführt. Gegenstand der Befragung war das sozial-emotionale Lernen von Grundschüler*innen. Hierfür wurden Kinder der Klassenstufe 3 rekrutiert. Die Testung erfolgte während jeweils laufender Projekte an Grundschulen in Niedersachsen.

Methodik

Es wurden Grundschulen eingeschlossen, die im festgelegten Erhebungszeitraum im Schuljahr 2021/2022 das erste Mal an der Maßnahme !SocialSkills des !Respect e. V. teilnahmen. Die Teilnahme einer Schule erfolgte freiwillig mit schriftlicher Zustimmung der Schulleitung. Ob ein Kind an der Klassenbefragung teilnehmen durfte, wurde bei den Eltern/Erziehungsberechtigten abgefragt. Mithilfe eines standardisierten Fragebogens, genannt FEESS 3-4 – Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klasse, wurden Kinder einer 3. Klasse in Gruppen befragt. Dazu befolgte jeweils eine Testleiter*in zusammen mit einer weiteren Person die Vorgaben der Testdurchführung der Ersteller Wulf Rauer und Karl-Dieter Schuck, festgelegt im Modulhandbuch FEESS 3-4. Während der Gruppenbefragung wurden die teilnehmenden Schüler*innen neben der Testleitung (insgesamt zwei  Personen in unterschiedlichen Projektschulen) von einer erwachsenen Person beaufsichtigt, die mit den Kindern vertraut war (häufig Schulleitung, ansonsten Klassenlehrer*in oder pädagogisches Personal). Die Befragung selbst erfolgte anonym, d.h. es wurden keine personenbezogenen Daten auf den Fragebogen geschrieben, die Rückschlüsse im Nachhinein zulassen. Die Auswertung wurde auf Klassenebene durchgeführt, in der ein Vorher-Nachher-Vergleich nicht auf ein Individuum zurückzuführen ist. Jeder Fragebogen erhielt eine Codierung.

Der Fragebogen FEESS 3-4 wurde explizit für Drittklässler*innen entwickelt und ist an deren Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst. Für die Evaluation von !SocialSkills wurde sich auf den Teilfragebogen SIKS (mit drei Skalen zum Sozialklima und Fähigkeitskonzept: soziale Integration (SI), Klassenklima (KK), Selbstkonzept (SK)) aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung beschränkt. Dieser besteht aus 37 Aussagen, die von den Kindern selbst über eine Antwortskala von

stimmt gar nicht – stimmt kaum – stimmt ziemlich – stimmt genau

bewertet werden muss. Anhand einer Auswertungsschablone werden den Antwortkategorien Werte zugeordnet, die einen Rohsummenwert ergeben. Dieser lässt sich einem standardisierten Wert (T-Wert) zuordnen, der mit einer Normgröße verglichen werden kann. So werden für drei unterschiedliche Skalen (1) Soziale Integration, (2) Klassenklima und (3) Selbstkonzept Werte bestimmt, die auf das Konstrukt sozial-emotionales Lernen schließen können. Für die Durchführung und Auswertung wurde sich an die Vorgaben der Autoren von FEESS 3-4 gehalten (Rauer und Schuck (2003). FEESS 3-4. Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klassen. Göttingen: Beltz, 1. Aufl.).

Ergebnisse

Es konnten Daten aus vier Grundschulen unterschiedlicher Größe bzw. aus Schulbezirken von einer Gemeinde bis hin zu einem Großstadtteil erfasst werden. Davon konnte jeweils eine 3. Klasse von jeder Schule untersucht werden mit Ausnahme einer Schule, für die zwei 3. Klassen an der Befragung teilnahmen. Insgesamt nahmen 64 Drittklässler*innen aus fünf Klassen an der ersten Befragung teil. Davon konnten 87,5 Prozent derselben Kinder erneut zum zweiten Testzeitpunkt befragt werden. Durchschnittlich nahmen 13 Kinder an der ersten Befragung und elf Kinder an der zweiten Befragung teil.

Auswertung nach Klassen

Für den Wirksamkeitsnachweis wurden die Daten zum ersten Befragungszeitpunkt vor dem Projektstart von !SocialSkills mit denen zum zweiten Befragungszeitpunkt nach dem Projektende verglichen. Hierfür sind die standardisierten T-Werte der jeweiligen Rohsummenmittelwerte der drei Fragebogenskalen (1) Soziale Integration, (2) Klassenklima und (3) Selbstkonzept ausschlaggebend.

Abb. 1
Abb. 1

Für die befragte 3. Klasse der Grundschule GS1 wird eine Steigerung der T-Werte in allen drei Skalen aus Abb. 1 erkenntlich. Die soziale Integration steigerte sich um den Wert 8 (T-Wert1.Befragung=66: T-Wert2. Befragung=74) und erfüllt damit die kritische Differenz, weshalb von einer Verbesserung der sozialen Integration durch das Programm !SocialSkills gesprochen werden kann. Das Klassenklima steigerte sich um den Wert 15 (T-Wert1.Befragung=65: T-Wert2. Befragung=80), erfüllt die kritische Differenz und kann somit als eine Verbesserung des Klassenklimas angesehen werden. Die Steigerung der Skala Selbstkonzept überschreitet mit dem Wert 4 (T-Wert1.Befragung=61: T-Wert2. Befragung=65), nicht die festgelegte Grenze der kritischen Differenz. Die Veränderung des Selbstkonzeptes ist demnach nicht annehmbar.

Abb. 2
Abb. 2

Die 3. Klasse der Grundschule GS2 zeigt ebenfalls eine Steigerung der T-Werte in allen drei Skalen. Hierbei erfüllt allein der Wert für Selbstkonzept die kritische Differenz mit einer Steigerung von 12 (T-Wert1.Befragung=44: T-Wert2. Befragung=56). Mit einer Steigerung um den Wert 5 fallen die Ergebnisse der Skalen Soziale Integration (T-Wert1.Befragung=49: T-Wert2. Befragung=54), und Klassenklima (T-Wert1.Befragung=53: T-Wert2. Befragung=58) unter die Grenze der kritischen Differenz. (Siehe Abb. 2)

Abb. 3
Abb. 3

Eine allgemeine Steigerung vom ersten zum zweiten Erhebungszeitpunkt liegen ebenfalls für die teilnehmende Klasse von GS3 vor. Dabei überschreiten die Steigerungen für das Klassenklima (T-Wert1.Befragung=53: T-Wert2. Befragung=62) um den Wert 9 und für das Selbstkonzept (T-Wert1.Befragung=51: T-Wert2. Befragung=61) um den Wert 10 die festgelegte Grenze der kritischen Differenz deutlich. Die Steigerung der sozialen Integration hingegen liegt unterhalb der Grenze mit dem Wert 3 (T-Wert1.Befragung=46: T-Wert2. Befragung=49) und es wird von keinem Unterschied ausgegangen. (Siehe Abb. 3)

Abb. 4
Abb. 4

In Abb. 4 zeigt sich eine Steigerung der Werte im Vergleich der zwei Erhebungszeitpunkte. Diese liegen alle über der Grenze der kritischen Differenz und können damit auf eine Verbesserung der sozialen Integration, des Klassenklimas und des Selbstkonzeptes der Kinder der 3. Klasse schließen. Am deutlichsten mit einer Steigerung von 14 (T-Wert1.Befragung=51: T-Wert2. Befragung=65) auf Ebene des Selbstkonzeptes gegenüber der Ebene Soziale Integration mit dem Wert 9 (T-Wert1.Befragung=54: T-Wert2. Befragung=63) und dem Wert 8 der Ebene Klassenklima (T-Wert1.Befragung=58: T-Wert2. Befragung=64).

Abb. 5
Abb. 5

Für die zweite befragte 3. Klasse der Schule GS4 ist für die Skalen Soziale Integration (T-Wert1.Befragung=63: T-Wert2. Befragung=66) und Selbstkonzept (T-Wert1.Befragung=51: T-Wert2. Befragung=56) eine Steigerung zu sehen, die jedoch nicht die Grenze der kritischen Differenz übertreffen (Wert 3, Wert 5). Außerdem weist die Skala Klassenklima keine Steigerung auf (T-Wert1.Befragung=65: T-Wert2. Befragung=65). (Siehe Abb. 5)


Gesamtauswertung

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass vier von fünf befragten Klassen eine Steigerung der Skalenwerte in allen drei Skalen Soziale Integration, Klassenklima und Selbstkonzept zeigen. Wiederum eine Klasse (GS4-2) zeigt gesteigerte Skalenwerte in zwei von drei Skalen und weist in einer Skala keine Verbesserung (Stagnation) auf.

Die Steigerung des Norm-Wertes (T-Wert) allein ist für Rauer und Schuck nicht ausreichend, sodass eine "kritische Differenz" als annehmbarer Unterschied und somit als Verbesserung oder Verschlechterung eines Konstruktes von sozial-emotionalem Lernen gilt. Im Hinblick darauf wird aus Tab. 1 ersichtlich, dass die zuvor benannten Steigerungen der Skalenwerte bei fünf Klassen für 14 von 15 Fällen zutreffend ist (grüne Färbung) und lediglich in einem Fall (Klassenklima GS4-2) keine Steigerung, sondern eine Stagnation des gemessenen Wertes vorliegt. Unter Einbeziehung der kritischen Differenz kann jedoch eine Steigerung in acht von 14 Fällen auf eine Verbesserung des jeweiligen Skalen-Konstruktes von sozial-emotionalem Lernen hindeuten (Smiley). Sechs von 14 Steigerungen liegen unterhalb der Grenze der kritischen Differenz (schwarzer Balken).

In 14 von 15 Fällen ist durch den Einsatz des Programms !SocialSkills eine Skalenwertsteigerung von Kindern in der Klassenstufe 3 erkennbar, das entspricht 93 Prozent. Davon erfüllen 57 Prozent die kritische Differenz (Steigerung des T-Wertes >7,8 bzw. 8,3). Die Werte steigerten sich zwischen acht bis 15 Punktwerte. Bei 43 Prozent, welche eine Skalenwertsteigerung ausweisen jedoch keine kritische Differenz erfüllen, steigerte sich der T-Wert nur um drei bis fünf Punktwerte.

Tab. 1
Tab. 1

Limitation

Für die Betrachtung der Ergebnisse ist folgendes zu berücksichtigen:

Fragebogen FEESS 3-4 ist unzulänglich für die vollständige Erhebung der Wirksamkeit der Projektarbeit durch !Respect. Die Ausrichtung der Projektarbeit von !SocialSkills liegt auf einem Empowerment von Lehr- und Betreuungskräften sowie einer nachhaltig positiven Konfliktkultur in einer Schulklasse durch einfache, klare Handlungsstrategien zur gewaltfreien Konfliktlösung auf Seiten der Schüler*innen. Über gemeinschaftliches, einheitliches Sanktionieren der Lehr- und Betreuungskräfte kann auf das sozial-emotionale Lernen der Schüler*innen eingewirkt werden. Somit können die erhobenen Ergebnisse nicht allein zur Evaluation der Wirksamkeit des Programms !SocialSkills stehen.

Aufgrund des festgelegten Erhebungszeitraumes und den begrenzt vorhandenen personellen Ressourcen ist die Anzahl der teilgenommen Grundschulen gering. Eine größere Fallzahl kann die Aussagekräftigkeit der Ergebnisse erhöhen. Ob die Aussagekraft der Ergebnisse durch eine Vorher-Nachher-Befragung mit kurzgewähltem Zeitraum (ein bis sieben Tage) vor und nach der Projektmaßnahme beschränkt ist, ist zu bedenken. Die Schulungsinhalte von !Respect sind für den nachhaltigen, langfristigen Einsatz entwickelt worden. Dass eine dritte Befragung im folgenden Schuljahr derselben Klassen/Kinder aussagekräftigere Ergebnisse darstellen kann, ist anzunehmen. Aufgrund der beschränkten Ressourcen ist dies innerhalb der vorliegenden Evaluation jedoch nicht möglich gewesen.

Ausblick

Eine Steigerungstendenz durch den Einsatz von !SocialSkills bei Drittklässler*innen bezogen auf die Soziale Integration, das Klassenklima und das Selbstkonzept für das sozial-emotionale Lernen ist deutlich erkennbar. Für aussagekräftigere Ergebnisse sind weitere Untersuchungen nötig, um eine höhere Fallzahl zu erhalten. Ebenso kann erwartet werden, dass die Evaluationswerte bei einer dritten Befragung derselben Klassen/Kinder (Status=4. Klasse) ausschlaggebendere Werte zeigen können, da das neueingeführte Programm von !Respect sich im Schulalltag der Kinder etablieren könnte (>6-12 Monate).

Hinsichtlich der Ausrichtung der Schulungsinhalte von !SocialSkills auf die systemische Ebene bzw. auf das Empowerment von Lehr- und Betreuungspersonal einer Grundschule sollten die Ergebnisse im Zusammenhang mit einer Befragung von dieser Ebene gestellt werden. Dabei wäre das Verhalten von Lehrkräften z. B. in Bezug auf die Mediation von Streitfällen in der Klasse ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Konfliktverhalten der Schüler*innen auf prosoziales Agieren zu modifizieren. Betreuungs- und Lehrkräfte fördern erlerntes Konfliktverhalten dauerhaft und das Einfordern der geschulten Inhalte führt langfristig zu verbesserten sozial-emotionalen Fähigkeiten bzw. einer veränderten Konfliktkultur in einer Grundschulklasse.