Im Zeitraum Februar bis März 2023 wurde eine Wiederholungsbefragung (Follow-up) bzgl. der Präventionsmaßnahme !SocialSkills durchgeführt. Diese basiert auf der Befragung der Klassenstufe 3 von November 2021 bis März 2022. Die Testung erfolgte in Verbindung des in den Grundschulen stattgefundenen Auffrischungskurses nach einem Jahr. Es wurden dieselben Grundschüler*innen (Klassenstufe 4) zum sozial-emotionalen Lernen befragt.
Es wurden die Grundschulen aus Niedersachsen eingeschlossen, die in der Evaluation 2021/2022 das erste Mal an !SocialSkills des !Respect e. V. teilnahmen und einen Auffrischungskurs nach einem Jahr in der 4. Klassenstufe absolvierten. Mithilfe des zuvor eingesetzten Fragebogens, genannt FEESS3-4 – Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klasse, wurden die Befragungen unter den gleichen Rahmenbedingungen mit denselben Testleiter*innen durchgeführt. Die Grundschüler*innen wurden nach Durchführung der zweiten !SocialSkills-Maßnahme befragt. Somit sind drei Messzeitpunkte für die Befragung mit dem FEESS3-4 bekannt: Vor der ersten Maßnahme (1. Befragung), direkt nach der ersten Maßnahme (2. Befragung) und in der nächsten Klassenstufe nach Beendigung der zweiten Maßnahme (3. Befragung). Die Befragung selbst erfolgte anonym, d. h. es wurden keine personenbezogenen Daten auf den Fragebogen geschrieben, die Rückschlüsse im Nachhinein zulassen. Die Auswertung wurde auf Klassenebene durchgeführt, in der ein Vorher-Nachher-Vergleich nicht auf ein Individuum zurückzuführen ist. Jeder Fragebogen erhielt eine Codierung. Die Auswertung erfolgte nach den Vorgaben der Ersteller Wolf Rauer und Karl-Dieter Schuck, festgelegt im Modulhandbuch FEESS3-4 (Rauer und Schuck (2003). FEESS 3-4. Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klassen. Göttingen: Beltz, 1. Aufl.).
Für weitere Angaben verweisen wir auf den Evaluationsbericht 2021/2022.
Es konnten Daten aus vier Grundschulen unterschiedlicher Größe bzw. aus Schulbezirken von einer Gemeinde bis hin zu einem Großstadtteil erfasst werden. Davon konnte jeweils eine 4. Klasse von jeder Schule untersucht werden mit Ausnahme einer Schule, für die zwei 4. Klassen an der Befragung teilnahmen. Insgesamt nahmen 44 Viertklässler*innen aus fünf Klassen an der dritten Befragung teil. Das sind 68,75 Prozent derselben Kinder, die zum ersten Befragungszeitpunkt teilnahmen. Durchschnittlich nahmen 13 Kinder an der ersten Befragung und elf Kinder an der zweiten Befragung sowie neun Kinder an der dritten Befragung teil.
Für die Wiederholungsbefragung wurden die Daten aller drei Befragungszeitpunkte verglichen. Hierfür sind die standardisierten T-Werte der jeweiligen Rohsummenmittelwerte der drei Fragebogenskalen (1) Soziale Integration, (2) Klassenklima und (3) Selbstkonzept ausschlaggebend.
Für die befragte 4. Klasse der Grundschule GS1 wird eine Steigerung der T-Werte in einer Skala gemessen (soziale Integration), wohingegen die zwei weiteren Skalen eine Stagnation der Werte zeigen (siehe Abb. 1). Nach einem Jahr steigerte sich die soziale Integration um den Wert 6 im Vergleich zur zweiten Befragung (T-Wert2.Befragung=74: T-Wert3. Befragung=80) und erfüllt damit jedoch nicht die kritische Differenz für eine ausreichende Steigerung, die von FEESS3-4 festgelegt wurde. Das Klassenklima (T-Wert2.Befragung=80: T-Wert3. Befragung=80) und das Selbstkonzept (T-Wert2.Befragung=65: T-Wert3. Befragung=65) zeigen keine Steigerung.
In Abbildung 2 lässt sich eine Steigerung der T-Werte in allen drei Skalen über die drei Befragungszeiträume für die Klasse der Grundschule GS2 erkennen. Hierbei erfüllt jedoch nur eine Steigerung die kritische Differenz und kann als zulässig bewertet werden: Die soziale Integration mit der Steigerung um den Wert 10 nach einem Jahr im Vergleich zur 2. Befragung (T-Wert2.Befragung=54: T-Wert3. Befragung=64). Das Klassenklima steigerte sich um den Wert 2 (T-Wert2.Befragung=58: T-Wert3. Befragung=60) und das Selbstkonzept um den Wert 1 (T-Wert2.Befragung=56: T-Wert3. Befragung=57), welche unterhalb des vorgeschriebenen Wertes der kritischen Differenz liegen.
Die teilnehmende Klasse der Grundschule GS3 zeigt ebenfalls eine Steigerung in allen drei Skalen (siehe Abb. 3). Dabei sind es zwei Steigerungen, die als zulässig und annehmbar eingeordnet werden können. Die soziale Integration mit dem Wert von 22 (T-Wert2.Befragung=49: T-Wert3. Befragung=71) sowie das Klassenklima mit dem Wert 8 (T-Wert2.Befragung=62: T-Wert3. Befragung=70) erfüllen die kritische Differenz. Lediglich die Steigerung um den Wert 4 der Skala Selbstkonzept (T-Wert2.Befragung=61: T-Wert3. Befragung=65) erfüllt die kritische Differenz nicht.
Für die eine der zwei Klassen der Grundschule GS4 sind Steigerungen in zwei Skalen erkennbar (siehe Abb.4). Dabei ist eine Steigerung des Klassenklimas um den Wert 9 über der kritischen Differenz (T-Wert2.Befragung=65: T-Wert3. Befragung=74). Die anderen beiden Skalen weisen entweder eine Steigerung um den Wert 1 (soziale Integration: T-Wert2.Befragung=63: T-Wert3. Befragung=64) oder den Wert 0 (Selbstkonzept: T-Wert2.Befragung=65: T-Wert3. Befragung=65) auf und gelten nicht als zulässig.
Die zweite Klasse der Grundschule GS4 konnte sich in allen drei Skalen steigern. Die Steigerung ist für die soziale Integration mit dem Wert 14 (T-Wert2.Befragung=66: T-Wert3. Befragung=80) und das Klassenklima mit dem Wert 15 (T-Wert2.Befragung=65: T-Wert3. Befragung=80) annehmbar. Für das Selbstkonzept erfüllt die Steigerung um den Wert 1 (T-Wert2.Befragung=56: T-Wert3. Befragung=57) jedoch nicht die kritische Differenz. (siehe Abb. 5)
Betrachtet man den Verlauf über die Befragungszeitpunkte 1, 2 und 3 ist erkennbar, dass zwei Klassen (GS2-1 und GS3-1) sich kontinuierlich in allen drei Bereichen Soziale Integration, Klassenklima und Selbstkonzept des einzelnen Kindes verbessern konnten, das entspricht 40 Prozent. Weitere 40 Prozent nehmen zwei Klassen ein (GS4-1 und GS4-2), die in zwei von drei Skalen kontinuierliche Verbesserungen aufweisen. Eine Klasse (GS1-1) zeigt in einer von drei Skalen eine kontinuierliche Verbesserung über die drei Befragungszeitpunkte. In keinem Fall war eine Verschlechterung der Skalenwerte erkennbar. (siehe Tab. 1)
Im Vergleich zwischen dem 1. Befragungszeitpunkt und dem 3. Befragungszeitpunkt wird deutlich, dass sich die Skalenwerte für jede Klasse steigern konnten. Dabei haben 80 Prozent aller Skalenwerte eine annehmbare bzw. verlässliche Steigerung (höher als die kritische Differenz). Zwei Klassen (GS3-1 und GS4-1) zeigen in allen drei Skalen eine verlässliche Steigerung. Während drei Klassen (GS1-1, GS2-1 und GS4-2) in zwei von drei Skalen eine Steigerung über der kritischen Differenz vorweisen. (siehe Tab. 2)
Es kann davon ausgegangen werden, dass eine !SocialSkills-Maßnahme nach einem Jahr als Auffrischungskurs zur Steigerung des sozial-emotionalen Lernstatus von Grundschüler*innen beitragen kann. Bei drei von fünf Klassen führt die Maßnahme zur Steigerung von zwei Ebenen des sozial-emotionalen Lernstatus im Vergleich zum Status vor der !Respect Maßnahme. In zwei von fünf Klassen führt die Maßnahme sogar zu Steigerungen des sozial-emotionalen Lernstatus auf allen drei Ebenen. Anhand der Follow-up-Befragung konnte gezeigt werden, dass !SocialSkills als ein nachhaltiges Konzept zur Verbesserung der sozialen Integration, des Klassenklimas und des Selbstkonzeptes von Schüler*innen eingesetzt werden kann. Der Einsatz über mehrere Schuljahre erhöht die Wirksamkeit der Maßnahme.
Es ist festzustellen, dass die Skalenwerte für das Selbstkonzept in den meisten Klassen sich nicht verlässlich steigern konnte (unterhalb der kritischen Differenz). Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die inhaltliche Ausrichtung der !SocialSkills-Maßnahme nicht auf die individuellen schulischen Fähigkeiten wie z. B. Lese- und Rechenkompetenz bezieht. Eine Steigerung in diesem Skalenwert ist somit für die Wirksamkeitsprüfung des !Respect-Trainings zu vernachlässigen.
Für weitere Limitationen verweisen wir auf den Evaluationsbericht 2021/2022.
Durch den Einsatz von !SocialSkills bei Grundschüler*innen über zwei Schuljahre fortlaufend sind ausschlaggebende Ergebnisse für eine Steigerung des sozial-emotionalen Lernens vorhanden. Um die Ergebnisse zu bestätigen, ist die Ausweitung der Evaluation mit einer höheren Fallzahl nötig.
Für eine fortlaufende Qualitätskontrolle bietet es sich an, einen Fragebogen für Grundschüler*innen konzeptbezogen und auf die spezifischen Inhalte von !SocialSkills angepasst zu erstellen. Dieser kann einzelne Inhalte des Trainings erfassen wie z. B. die einzelnen Schritte der Stopp-Regel. Neben der praktischen Umsetzbarkeit anhand gegebener Ressourcen sollte ein Messinstrument dabei wissenschaftlichen Standards gerecht werden.
Hinsichtlich der Ausrichtung der Schulungsinhalte von !SocialSkills auf die systemische Ebene bzw. auf das Empowerment von Lehr- und Betreuungspersonal einer Grundschule sollten die Ergebnisse im Zusammenhang mit einer Befragung von dieser Ebene gestellt werden. Dabei wäre das Verhalten von Lehrkräften z. B. in Bezug auf die Mediation von Streitfällen in der Klasse ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Konfliktverhalten der Schüler*innen auf prosoziales Agieren zu modifizieren. Betreuungs- und Lehrkräfte fördern erlerntes Konfliktverhalten dauerhaft und das Einfordern der geschulten Inhalte führt langfristig zu verbesserten sozial-emotionalen Fähigkeiten bzw. einer veränderten Konfliktkultur in einer Grundschulklasse.